Mediengestalter-Praktika

Mai 2015 | @cetera

Der große Wirbel um die Themen Mindestlohn und Medien-Praktika hat sich gerade gelegt. Kaum ein Medium, das in den vergangenen Monaten nicht über mindestens eines dieser Themen berichtete. Das gibt uns Gelegenheit, einmal eine kurze, unaufgeregte Status Quo Betrachtung aus unserer Sicht anzustellen.

Praktikanten gab es in den über 16 Jahren unseres Bestehens viele und wir verbinden zahllose gute, nette, lustige und freundschaftliche Erinnerungen mit ihnen. Mit einigen haben wir heute noch guten Kontakt, einige wurden zu langjährigen Mitarbeitern, andere zu Lieferanten und wieder andere unterstützten wir auf ihrem Weg ins Studium und das Berufsleben. Was Praktikanten bei uns nie gemacht haben, war Kaffee zu kochen, wie es die w&v auf ihrem Titel zum Thema kürzlich plakativ darstellte.

Meist waren unsere Praktikanten junge Menschen, die vor oder während ihres Studiums einen Einblick in die Praxis erhalten wollten. Hatten wir anfangs noch relativ häufig Praktikanten – teilweise bis zu drei gleichzeitig, so nahm ihre Zahl in den letzten Jahren kontinuierlich ab, was an verschiedenen Gründen lag. Einerseits sank unsere Nachfrage, da wir immer mehr Mitarbeiter fest einstellten – auch ehemalige Praktikanten, andererseits sank auch das Angebot durch den Umstieg vom Diplom- zum Bachelorstudium, welches nur noch ein statt bisher zwei Pflicht-Praxissemester vorsieht. Trotzdem hatten wir jedes Jahr mindestens eine Praktikantin oder einen Praktikanten bei uns im Team.

Praktikanten bekommen bei uns seit jeher eine enge Betreuung, viele Möglichkeiten und Verantwortung, werden als vollwertiges Mitglied des Teams anerkannt und erhalten selbstverständlich eine Praktikumsvergütung. Das ist kein fürstlicher Lohn, keine Frage, aber wir beschäftigen auch keine ausgelernten Mediengestalter oder Grafikdesigner mit abgeschlossenem Studium als Praktikanten, sondern nur solche, die sich noch in oder sogar vor dem Studium befinden. Doch das ändert sich nun, und wir wollen gerne erläutern, warum das so ist.

Viel Aufmerksamkeit erregte der wütende Blogpost von Sinah Edhofer, in welchem sie behauptet, Praktika in der Medienbranche seien „Arbeit zu Dumpingpreisen und alle machen mit“. Frau Edhofer rudert im Interview mit w&v dann doch etwas zurück und wünscht sich, dass „von Unternehmensseite ein Umdenken in Sachen Praktikum beginnt“ – und in der Tat ist genau das im Moment der Fall. Allerdings liegt das nicht an Frau Edhofer, sondern am seit Anfang 2015 geltenden Mindestlohn und der mit ihm einher gehenden Dokumentationspflicht.

Verallgemeinerungen liefern in einer komplexen Situation nur selten eine ausreichend belastbare Lösung. So ist das auch beim Mindestlohn. Es gibt nicht DIE Unternehmer oder DIE Praktikanten. Und es geht hier auch gar nicht darum, ob der Mindestlohn sinnvoll ist oder nicht. Denn es gibt Situationen, in denen er wirklich notwendig ist und andere, in denen er eher kontraproduktiv wirkt. Praktika, die als Bewerbungsvoraussetzung für Studienplätze vorgeschrieben sind, also Vorpraktika, gehören zu letzterer Kategorie. Denn diese sind nach heutigem Stand nicht als Pflichtpraktika im Rahmen eines Studiums anerkannt, da die Praktikanten zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht an einer Hochschule immatrikuliert sind. Damit sind sie nach dem Mindestlohngesetz als „Praktika zur Orientierung bei der Berufs- und Studienwahl“ auf maximal drei Monate beschränkt.

Doch handelt es sich bei den Bewerberinnen und Bewerbern für Vorpraktika in aller Regel um relative Anfänger ohne besonders weitreichende Kenntnisse in unserer Branche. Viele Agenturen boten diesen Medienbegeisterten bisher sechsmonatige Praktika an, bei denen meist die ersten zwei bis drei Monate benötigt wurden, um die Praktikanten auf ein Niveau zu bringen, auf dem sie Nutzen stiftend im Alltag mitarbeiten konnten. Die zweiten drei Monate war für die Praktikanten dann die Zeit zum Vertiefen und Anwenden des Gelernten und für die Agentur für den »Return on investment«, in der sich also der Einsatz auszahlte. So hatten beide Seiten etwas davon. Doch nun fallen die zweiten drei Monate weg, möchte die Agentur nicht einen ungelernten Mitarbeiter für dessen Ausbildung nach Mindestlohn bezahlen. Hinzu kommt eine höchst bürokratische und aufwändige Arbeitszeit-Dokumentationspflicht, die im Übrigen aus rätselhaften Gründen auch für viele Angestellte gilt, die deutlich über dem Mindestlohn verdienen.

Wir haben uns fürs Erste entschieden, nur noch sechsmonatige Pflichtpraktika im Rahmen von Studiengängen anzubieten. Das ist für beide Seiten schade, denn uns haben die jungen Menschen mit ihrem Elan bereichert und uns wurde von ehemaligen Praktikanten oft rückgemeldet, dass sie mit ihrem Praktikum sehr zufrieden waren und es als echte win-win-Situation wahrgenommen haben. Dies ist nun leider nicht mehr möglich. Um hier kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die Branche ist nicht beleidigt und wir sind es auch nicht. Es wird ganz einfach weniger Praktika zur Berufsorientierung geben, da der Nutzen für die Agenturen durch die strenge Auslegung des Gesetzes in vielen Fällen in keinem Verhältnis mehr zum Aufwand steht. Davon wird die Welt nicht untergehen, und vielleicht wird das Mindestlohngesetz ja nach einer Weile noch die eine oder andere Optimierung erfahren. Bis dahin warten wir mal ab.

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