Bezahlter Online Journalismus

März 2017 | @cetera

Das Lesen von Nachrichten im Internet gehört für die meisten von uns zum Alltag. So auch für mich. Dabei gibt es eine Handvoll Medien, deren Websites ich täglich besuche.

Darunter ist auch die ZEIT, die ich mehrere Jahre mit Unterbrechungen auch als Papierausgabe abonniert hatte. Doch immer wieder stellte ich fest, dass erstens der wöchentlichen Rhythmus und zweitens die Menge an Papier mich mit meinem Alltag überforderten. Bereits nach wenigen Monaten Laufzeit des neuen Abonnements stapelten sich ungelesene Ausgaben, die ich bezahlt hatte und deshalb noch lesen wollte. Am Ende bestellte ich stets das Abonnement ab und entsorgte schweren Herzens viel bedrucktes, ungelesenes Papier. Qualitätsmedien wie die ZEIT helfen mir, bei all dem Geschrei, das im Internet herrscht, die Themen, die mich interessieren, zu verstehen und einzuordnen. An Informationen heranzukommen, ist heute kein Problem mehr. Aber in der riesigen Menge der Informationen verliert man den Überblick darüber, was wirklich gut recherchiert ist. Hier macht sich der Markenwert etablierter qualitativer Medien bemerkbar: Das Vertrauen, das über Jahrzehnte aufgebaut wurde, kann dazu beitragen, dass eine Nachricht aus einer dieser Quellen als glaubwürdiger wahrgenommen wird, als es vielleicht bei modernen Blogs der Fall ist. In Zeiten von „Fake-News“ ist dies wichtiger denn je.

Auch deshalb ist mir wichtig, mich durch Medien zu informieren, die schon lange Bestand haben. Dabei ist es kein Vorteil, wenn diese Berichterstattung wöchentlich an mich herangetragen wird. Entscheidend ist, dass Journalisten sich die Mühe machen und die Zeit nehmen, ein Thema sorgfältig zu recherchieren und es so aufzubereiten, dass es mir bei meiner Meinungsbildung hilft. Qualitätsmedien geben mir Orientierung. Deshalb bin ich auch bereit, Geld dafür zu bezahlen, damit diese Leistung möglich bleibt. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die es für wichtig halten, mit einer Zeitung aus Papier auf der Couch zu sitzen und darin zu blättern. Für mich ist nur wichtig, dass die Information qualitativ ist. Und das in jeder Hinsicht: inhaltlich, visuell und in der Aufbereitung. Dass es einem Online-Medium besser möglich ist, dies zu leisten, war mir schon lange klar, nur fanden sich im Internet einfach nicht genügend Beweise dafür. Die meisten Medien recycelten einfach ihre Inhalte, die sie für Print erzeugten, auf ihren Websites. Auf diese Weise kann man Leser wie mich nicht begeistern.

Doch jetzt ist ein Silberstreif am Horizont zu sehen. Der SPIEGEL hat vor wenigen Monaten endlich seinen völlig unspektakulären Onlineauftritt relauncht. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mit dem Relaunch einher geht die Einführung einer partiellen Bezahlschranke „Spiegel plus“. So wie einige andere Anbieter auch, hat sich nun auch der Spiegel dazu durchgerungen, für seine Inhalte Geld zu verlangen, wenn auch bisher nur für einige wenige. Aber genau das ist der richtige Weg. Es ist mir ein Rätsel, warum die Medien so lange damit warten, sich für ihre Leistungen bezahlen zu lassen. Auf diese Weise beschädigen sie seit Jahren ihre so lange aufgebauten Marken. Warum für etwas zahlen, wenn man es viel bequemer auch umsonst erhalten kann?  Für viele Internetnutzer ist überhaupt nicht erkennbar, dass Medien gar nicht alle Inhalte aus ihren Printprodukten im Internet darstellen. So werden die Print Abonnenten zwar bevorzugt, nur merkt das kaum einer. Der SPIEGEL hat mit dem Relaunch jetzt einen neuen Benchmark gesetzt und die anderen Medien müssen nachziehen. Eben noch hatte die WELT die Nase vorn, jetzt ist es halt der SPIEGEL. Es hört niemals auf mit der Weiterentwicklung, aber ich bin überzeugt: Die Investitionen lohnen sich.

Was nun noch fehlt, ist eine gemeinsame Bezahlmöglichkeit. Denn im Moment kochen alle noch ihr eigenes Süppchen. Als ob niemand aus der Geschichte der Musikindustrie lernen möchte. Wenn die Anbieter von Medien in Deutschland nicht damit beginnen, ihre Berührungsängste abzubauen und ein gemeinsames Bezahltsystem zu etablieren, dann kommt eines Tages ein anderer und tut das. Dabei wäre es so einfach: Die Medien aus Deutschland vereinbaren einen gemeinsamen Zugang zu ihren Premiumangeboten und abgerechnet wird per View, als Volumenabo oder für die Vielnutzer per Flatrate. Heute sieht es noch so aus, dass man sich für das komplette online Angebot eines Mediums entscheiden muss. Doch die Vielfalt, die durch die verschiedenen Medien geboten wird, kann man nur dann online erleben, wenn man viel Geld in die Hand nimmt. Das ist in meinen Augen unzeitgemäß. Früher teilten sich die Menschen in verschiedenen Fraktionen auf. Es gab die ZEIT-Leser, es gab die WELT-Leser und es gab die SPIEGEL-Leser. Damals gab es noch keine Möglichkeit, Inhalte einzeln zu verkaufen. Ähnlich wie in der Musikindustrie. Man kaufte eine CD und musste damit leben, dass einzelne Titel einem nicht gefielen. Single-CDs waren wegen des hohen Fixkostenanteils unattraktiv. Dann kam Apple und erfand den iTunes Music Store. Wir dort mitmachen wollte, musste akzeptieren, dass sich die Zielgruppe einzelne Titel aus den CDs heraus suchen konnten.

Und so stelle ich es mir auch für die Medien vor. Doch dafür bedarf es eines Paradigmenwechsels. Vielleicht hilft bei der Entscheidung die Überlegungen, dass es doch besser wäre, wenn nicht ein Konzern wie Apple oder Google einen nicht unbedeutenden Anteil des Umsatzes als Provision für die bloße Vermittlung kassiert, sondern die Einnahmen voll den Verlagen und den Urhebern der Inhalte zugute kommen. Liebe Medienkonzerne in Deutschland, hier kommt meine Vision für Euch: Tut euch zusammen, macht es uns Leserinnen und Lesern leicht, eure Inhalte einzeln zu bezahlen, verabschiedet euch von der Denke, dass Informationen wöchentlich an einem festen Tag an die Zielgruppe herangetragen werden, akzeptiert, dass eure Zielgruppe sich nicht für alles interessiert, was ihr produziert und fokussiert euch auf eure Kernkompetenz: den Menschen die Welt zu erklären. Und bitte: tut das online.

Herzlich
Ihr Jan Mittelstaedt

P.S. Dieser Blogpost ist Teil einer Reihe über den digitalen Journalismus, mit dem ich mich seit Jahren aus persönlichen Interesse beschäftige. 

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