iPad und Journalismus

Dezember 2012 | @cetera

„Und, hast Du schon ein iPad?“, wurde ich einen Tag nach dem offiziellen Verkaufsstart des brandneuen Apple-Tablets im Jahre 2010 gleich von mehreren Seiten gefragt. Offenbar eilte mir der Ruf voraus, stets als Erster „Hier!“ zu schreien, wenn Guru Steve Jobs wieder etwas Neues – ein „amazing“ Irgendetwas vorstellte.

Und in der Tat hatte ich als Erster in meinem Bekanntenkreis das iPad – jedoch interessanterweise bestellt nicht von mir, sondern von meinem Kompagnon zu meinem 40. Geburtstag. Offenbar hatte er sich meinem Druck gebeugt, bevor ich ihn überhaupt aufbauen konnte. Denn ich war gar nicht so überzeugt, dass ich unbedingt ganz schnell eines der neuen Must-haves haben musste. Ich stand dem neuen Gadget neutral gegenüber und hätte problemlos noch ein paar Monate – ok, Wochen – warten können, bis all diejenigen versorgt wären, die ohne iPad keinen Sinn im Leben finden konnten. Ich habe mich dann aber nur wenig gewehrt. Da wir so früh bestellt hatten, kam es in für Apple-Verhältnisse rekordverdächtiger Zeit bei uns in der Agentur an und ich versuchte fleißig herauszufinden, was ich damit anfangen sollte.

Nicht allzu lang zuvor hatte ich auf diesem Blog eine Replik auf Götz Hamanns Horrorszenario in der ZEIT vom 4. Februar 2010 über das bevorstehende Ende des freien Internetzeitalters geschrieben. Thema von Hamanns Artikel war, natürlich, das gerade erst vorgestellte iPad. Ich schrieb damals: „Die Erde dreht sich auch dann weiter, wenn einige es nicht wollen. Doch ich kann Götz Hamann zumindest eines versprechen: Sobald die ZEIT ein iPad-Abonnement anbietet, werde ich nach Jahren der Abstinenz wieder zugreifen und für qualitativen Journalismus Geld bezahlen. Vorausgesetzt, die ZEIT versteht es, die vielen Vorteile, die sich mir als Leser durch das iPad bieten, zu realisieren. Ich freue mich schon darauf.“ Seither habe ich zwei Versuche unternommen, die ZEIT im iPad-Abonnement zu lesen. Anfangs mit viel Wohlwollen, bot mir das iPad-Abo doch die Möglichkeit, immer und überall aus Artikeln der ZEIT zu zitieren, die mir relevant erschienen. Einmal bei einem Vortrag, den ich über Facebook hielt, als ich an einem Mittwoch-Abend der staunenden Zuhörerschaft erklärte, was die ZEIT am Folgetag zu diesem Thema schreiben würde – ich hatte es bereits in meinem iPad-Abo gelesen.

Doch der Zauber des Wundertabletts verblasste nach und nach. Der Mehrwert, den die App-Ausgaben boten, war anfangs nicht vorhanden und später leicht wahrnehmbar, jedoch noch auf einer sehr rudimentären Ebene. In zwei Italien-Urlauben freute ich mich noch über die Möglichkeit, die ZEIT downloaden zu können, ohne einen Kiosk in der Nähe zu haben. Und mein immer noch nicht abgeschlossenes Buchprojekt über die Vorbereitung auf die Bewerbung für die Mediengestalter-Ausbildung wurde zum großen Teil im Urlaub auf dem iPad geschrieben. Trotzdem war etwas nicht richtig. Beim Lesen der ZEIT hatte ich ein leuchtendes, wahnsinnig teueres, gegen Strandsand und Salzwasser höchst allergisches Etwas in der Hand, das in mir, dem Apple-Fanatiker, ein diffuses Grummeln im Bauch hinterließ. Etwas, das sich nicht falsch, aber auch nicht richtig anfühlte. Die Leichtigkeit fehlte. Daran änderte – wie bereits angedeutet – auch der Relaunch der anfangs sehr schlechten ZEIT-App nicht. Das Leseerlebnis auf dem iPad wurde nicht so deutlich besser, als dass es mir genügt hätte.

Mein erstes iPad ist mittlerweile in anderen Händen und ich habe gerade die wirklich spannende Lektüre der ZEIT-Ausgabe vom 22. November 2012 (auf Papier) hinter mir. Ja, richtig, wir haben Ende Dezember. Aber wen interessiert das? Aktuelle Berichterstattung gibt es im Internet. Guten Journalismus durchaus auch – aber eben auch auf Papier, was mir im Moment mehr zusagt. In besagter Ausgabe machte die ZEIT mit der Ankündigung auf, zu verraten, wie guter Journalismus überleben kann. Meiner Meinung nach wird guter Journalismus immer überleben – solange sich die Medien auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Bei Lokalzeitungen wie dem SÜDKURIER sind das lokale Nachrichten, die ganz einfach auf den Frühstückstisch gehören. Bei überregionalen Zeitungen wie der ZEIT ist das die verlässliche Hilfe bei der Einordnung der Fragen der Gegenwart. Dafür darf dann auch online Geld verlangt werden – die WELT geht hier seit ein paar Tagen voran und andere werden folgen. Und das ist richtig. Ganz einfach, weil die Menschen guten Journalismus brauchen, egal, auf welchem Weg er zum Leser gelangt. Deshalb habe ich mir von meiner Frau zu Weihnachten ein Abonnement der ZEIT gewünscht – auf Papier. Ach ja, und ein iPad Mini habe ich mir auch bestellt – natürlich aus rein geschäftlichem Interesse.

Kommen Sie gut ins neue Jahr
Ihr Jan Mittelstaedt

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