Zahl langsam 2

Juni 2013 | Projekte

Die Schonzeit ist bald vorbei. Deutschland ist bereit für „Paid Content“ im Bereich des Journalismus. Schon bald werden die Nutzerinnen und Nutzer des Internets nicht mehr in einer Fülle von kostenlosen journalistisch hochwertig aufbereiteten Inhalten schwelgen können. Der Wandel vollzieht sich jetzt. Und er ist nicht aufzuhalten.

Es ist ein wenig wie im Spielfilm-Klassiker „Stirb langsam 2“, wo eines der vielen verzweifelt über dem Washingtoner Flughafen kreisenden Flugzeuge trotz aller Risiken eine Notlandung versucht, damit erfolgreich ist und es alle anderen Maschinen nachmachen, da es den Pionier gab, der dabei nicht am Boden zerschellt ist. Sicher hinkt dieser Vergleich an vielen Stellen – der Grund dafür, dass die Maschinen im Film nicht landen können, sind zum Beispiel Terroristen, die das Instrumentenlandesystem manipuliert haben.

Doch die scheinbar ausweglose Situation, vor der sich viele Zeitungsmacher noch vor nicht allzu langer Zeit sahen, nämlich dass die Internetnutzer kostenlose Inhalte forderten und nicht bereit waren, für Informationen, die sie anderswo umsonst erhielten, Geld zu bezahlen, ist vergleichbar: Es musste etwas geschehen, so oder so. Die Flugzeuge im Film haben nur noch wenig Treibstoff, die Zeitungen verdienen mehrheitlich mit ihren Onlineangeboten nicht genügend Geld, um langfristig zu überleben, wenn der Printbereich nach und nach wegbricht. Einer musste den ersten Schritt machen.

In der Welt der Zeitungen war dieser Pionier die „New York Times“, die der Branche zeigte, dass es funktionieren kann: Die Zielgruppe ist durchaus bereit, für hochwertigen Journalismus Geld zu bezahlen, obwohl es kostenlose Alternativen gibt. Entscheidend ist dabei die Kraft der Marke des Mediums. Und die wiederum wird nachhaltig vor allem durch die Qualität des Contents aufgeladen, wobei der Begriff Qualität vielschichtig ist: Aktualität, Vollständigkeit, Neutralität auf der einen Seite, Orientierung auf der anderen und nicht zuletzt eine konstruktive Grundhaltung.

Nachdem das Experiment der New York Times erfolgreich war, sorgte in Deutschland kürzlich die Zeitung „Die Welt“ für große Aufmerksamkeit in der Szene, als sie für ihr Online-Angebot ein Bezahlmodell einführte. Als nun die „Bild“ nachzog, war die Lawine ins Rollen gekommen. Jetzt geht es also los. Es ist zu erwarten, dass nach und nach die meisten dieser Online-Portale den Schritt in die Zukunft gehen werden und ihre Informationen nach irgendeinem Modell gegen Bezahlung anbieten.

Allen Kritikern dieses Trends sei entgegnet, dass es nicht anders geht, denn auch Journalisten müssen für ihre Arbeit bezahlt werden. Und es gibt auch für die Internetnutzer einen positiven Aspekt dabei. Denn die Schonzeit ist nicht nur für die Leser vorbei, die bald weniger kostenlosen Qualitätsjournalismus in Netz finden. Sie ist auch für diejenigen vorbei, die den Content anbieten. Der Wettbewerb um zahlende Leser verlagert sich nun vom Kiosk ins Internet. Wer ihn gewinnen will, muss sich anstrengen und Qualität liefern.

Von Jan Mittelstaedt

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